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© 2016,

Prof. Dr. Walter van Laack

 

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Leben und Geist sind unsterblich!

 

© von Prof. Dr. med. Walter van Laack

 Buchbeitrag aus: "Schnittstelle Tod - Was spricht für unser Weiterleben?" (2014)

 

 

Seit Menschengedenken scheint es klar zu sein. Von Höhlenmalereien, diversen archäologischen Funden und zahlreichen Grabbeigaben aus allen Epochen und in allen Regionen dieser Erde können wir davon ausgehen, dass der Mensch eine klare, intuitive Vorstellung von drei Grundlagen dieser Welt zu besitzen scheint:

1)       Es gibt einen Gott, etwas Göttliches, eine uns jedenfalls überlegene, nicht näher beschreibbare, aber real existente Dimension oder Einheit.

2)       Es gibt eine „geistige Dimension“, eine Geistebene oder auch Seelenebene, jedenfalls etwas, das sich von dem, was wir Materie nennen unterscheidet und real existiert, aber nicht sinnlich wahrnehmbar ist.

3)       Der Tod ist kein absolutes Ende. Vielmehr wird er in irgendeiner – sehr zahlreich und variabel beschriebenen – Form von uns Menschen überlebt. Auf die Details solcher Vorstellungen will ich an dieser Stelle nicht eingehen, das würde den Rahmen sprengen. Eines aber dürfte sicher sein: Ausnahmslos alle Religionen beschäftigen sich in erster Linie mit dem Tod und erst danach mit dem „göttlichen Hintergrund“. So wäre auch das Christentum ohne die „Auferstehung“ als seine zentrale Botschaft nie in der Lage gewesen, bis heute ungefähr 1,5 bis 2 Milliarden Gläubige zu erreichen.

Demgegenüber scheint es nach wie vor kaum wirklich bestrittener Stand moderner Naturwissenschaften zu sein, dass unser Tod zugleich auch unser endgültiges Ende bedeutet und Geist nur ein Produkt unserer Gehirne ist, anders ausgedrückt, ein zufälliges Epiphänomen der Evolution allen Lebens.

Nur, was Leben und Geist eigentlich ist, kann kein Naturwissenschaftler bis heute beantworten. Und keiner kann lebende Zellen oder gar Wesen aus unbelebter Materie herstellen. Immer ist Leben nötig, um neues Leben zu erschaffen. Und kein Computer kann auch nur Bruchteile des menschlichen Geistes imitieren. Sicher, er mag jeden Schachweltmeister schlagen, weil seine Rechenleistung heute der eines jeden Menschen überlegen sein kann. Aber ist das menschliche Hirn nur ein Computer? Ich glaube kaum, weder abstraktes Denken, noch Entscheidungen, noch tiefe Gefühle, weder Selbstbewusstsein noch Selbsterkenntnis – nichts davon und noch viel mehr ist technisch weder jetzt noch in Zukunft machbar.

Die Evolution baut auf den Komponenten „Zufall“, „Auswahl der Geeigneten“ und „Kooperation“ zwischen einzelnen Wesen und zwischen ganzen Arten auf. Doch keiner kann bis heute damit auch nur annähernd plausibel erklären, wie es allein dadurch zu immer höherer Komplexität des Lebens in immer kürzerer Zeit gekommen sein soll. Während die Evolution für die Entwicklung eines Hufes noch etwa 40 Millionen Jahre benötigte, waren es für unser menschliches Großhirn nur noch einige Tausend Jahre, vielleicht ein paar zehn- oder hunderttausend Jahre, was aber nichts im Grundsatz an der Frage ändert.

Tatsächlich hat der Mensch für die Zeit seiner Steinzeitkultur bis zum Mond und zum heute alles dominierenden Internet nur etwa 10.000 Jahre, also man gerade 400 Generationen, gebraucht. Und am Gehirn hat sich währenddessen bezüglich seiner Makro- und Mikroanatomie kaum etwas getan: Wir arbeiten praktisch also mit unverändertem Werkzeug, aber leisten heute unendlich viel mehr – leider im Positiven genauso wie im Negativen, wie gerade das 20. Jahrhundert uns allen in dramatischer Weise vor Augen geführt hat.

Und noch bis zum Ende des letzten Jahrtausends war es wissenschaftlich klar, dass wir alle ein Produkt unserer Gene sind: Milliarden seien schließlich dafür verantwortlich, und allein diese unvorstellbare Zahl sei es, die es vielen von uns unmöglich machen sollte, dafür das nötige Verständnis zu entwickeln.

Und dann kam so ein amerikanischer Biochemiker plötzlich daher gelaufen, Craig Venter (*1946), kündigte im Jahr 2000 – von vielen seiner Zunft belächelt – an, innerhalb kurzer Zeit das menschliche Erbgut zu entschlüsseln, was er dann auch tat, und reduzierte uns auf bloß noch etwa 25.000 Gene. Selbst die Hefe hat ein Vielfaches davon, und man kann sogar feststellen, dass gerade viele niedere Lebewesen mehr Gene besitzen als höhere, obwohl diese doch so unendlich viel komplizierter sind... Vielleicht könnte man daraus ja schon den vorsichtigen Schluss ziehen: Gene sind extrem wichtig und eine Grundlage für Vererbtes. Aber, vielleicht gibt es noch mehr, die da mitspielen, aber vielleicht auch gar kein biochemisches Korrelat besitzen...? Könnte hier vielleicht „Geist“ eine Rolle spielen?

Wir wissen heute, dass sogar dieselben Gene bei unterschiedlichen Lebewesen auf verschiedenen Evolutionsstufen völlig andere Dinge kodieren. Zum Beispiel steht bis auf ganz wenige Aminosäuren dasselbe Gen beim Vogel für seinen Singsang, beim Menschen für die Sprache (FOXP2-Gen). Und pflanzt man ein anderes Gen (PAX6-Gen), das bei der Maus für ihr Linsenauge verantwortlich zeichnet, in eine Fliege, dann entsteht dort tatsächlich ein Facettenauge.

Sind Gene vielleicht vor allem so eine Art Sammelordner für Aufbauten oder Leistungen, die sich die Evolution im Laufe der Zeit als eine Art biochemisches Arsenalgedächtnis leistet? Aber was steuert dann mit Hilfe dieser Sammelordner das, was schließlich tatsächlich passiert?

Neuere Studien zeigen, dass interessanterweise Vergangenes Auswirkungen in der Zukunft auf spätere Generationen haben kann. Ratten und Mäuse, oft vortreffliche Versuchstiere, scheinen zum Beispiel Ängste, auch wenn sie antrainiert sind, aber auch andere Erfahrungen und erlernte Lektionen irgendwie auf spätere Generationen zu übertragen. In Australien hatte man schon in den 1920er Jahren mit Ratten experimentiert, die bestimmte Verhaltensweisen erlernten. Das passierte dann von Generation zu Generation schneller, aber, und da versagt jede bisherige wissenschaftliche Erklärung, viele Jahrzehnte später hatten Experimentalratten in Schottland dieselben Verhaltensweisen genauso schnell drauf...

Aber der Mensch steht dem nicht zurück: Haben Eltern im zweiten Weltkrieg zum Beispiel Hunger gelitten, so leiden ihre Enkel- und Urenkelkinder heute trotz Nahrung im Überfluss deutlich häufiger an Ernährungsstörungen als andere. Naturwissenschaftler meinen deshalb heute, dass es womöglich Verbindungen zwischen dem menschlichen Gehirn und den Keimdrüsen geben muss, so dass sich so Erbveränderungen manifestieren. Man hat auch ein neues Wissensfeld erkoren, die Epigenetik. Danach stülpt sich quasi etwas auf die Gene auf, aber was ist es tatsächlich? Wissenschaftler meinen, Gene seien mehr wie ein Klavier, und die Umwelt spiele darauf. Könnte da nicht vielleicht „Geist“ die entscheidende Rolle spielen?

Der englische Biologe Rupert Sheldrake (*1942) hatte aufgrund zahlreicher Beobachtungen und Untersuchungen – vor allem mit Hunden – postuliert, es müsse, wie er sie nannte, „morphogenetische Felder“ geben, also quasi „Geistfelder“, die, real existent, artspezifisch auf die Entwicklung von Arten, und damit im Rahmen der Evolution, einwirken. Natürlich kämpft Sheldrake mit der typischen Reaktion Seinergleichen, belächelt und nicht ernst genommen zu werden. Ich glaube aber, er hat grundsätzlich Recht – nein, man muss noch viel weiter gehen, als er es tut: Nicht nur „kollektive“ Felder spielen eine Rolle, sondern im Laufe der Evolution immer mehr „individuelle“. Die Evolution steuert im Laufe ihrer Zeit ganz offensichtlich vom Kollektiven zum Individuellen mit dem Ziel maximaler Perfektion in maximaler Vielfalt. Sie glauben es nicht?

Tatsächlich sticht in unserer Welt eine Gesetzmäßigkeit immer und überall ins Auge: Alles hat zwei Seiten, wirklich alles.

Wir kennen den Menschen biologisch als Mann und Frau, wir unterscheiden Raum und Zeit, Wellen und Teilchen, Materie und Energie. Das lässt sich in alle Ewigkeit fortsetzen...

In der Physik gibt es ein Dilemma: Während alles Physikalische, alle Materie also und damit jeder beliebige Körper – ob tot oder lebendig – mit der Zeit immer zu wachsender Unordnung neigt – die Physiker sprechen von Entropie – gibt es auf der anderen Seite auch das spiegelbildliche Gegenteil: Information. Sie strebt mit der zeit zu immer größerer Ordnung. Sie wird dabei immer komplexer. Information ist aber nichts Materielles, auch wenn wir zumeist der Meinung sind, sie muss an etwas Materielles gebunden sein. Aber muss sie das wirklich?

Nun schauen wir mal auf die Evolution unseres Kosmos, auf die des Lebens auf unserer Erde und auf uns Menschen – auf jedes einzelne menschliche Leben.

Über viele Milliarden von Jahren erstreckt sich bereits heute unsere sinnliche Wahrnehmung von kosmischen Körpern, also von Planeten, Sternen, Galaxien, Pulsaren und Quasaren, und was es sonst noch so alles an himmlischen Körpern gibt. Alles kommt, wächst und vergeht. So wissen wir, dass unsere Sonne womöglich längst mehr als die Hälfte ihrer Lebenszeit überschritten hat und auf dem besten Weg in ihren Untergang ist. Dasselbe gilt für jede beliebige Form von Materie: Alles „stirbt“ irgendwann, wobei allerdings nichts verloren geht, sondern im Chaos, in der maximalen Unordnung wieder als Grundlage für Neues dient.

In der Evolution des Lebens zeigt sich Ähnliches: Immer neue Arten drängen zu Tage, immer mehr Leben kreucht und fleucht, nachdem es einmal entstanden ist. Manche Arten sterben früh wieder aus, manche bevölkern diese Erde ein paar Millionen Jahre, bevor auch sie als Art wieder das Zeitliche segnen, und manche gibt es schon seit fast Anbeginn des Lebens hier, und ihr Untergang wird vermutlich auch noch lange auf sich warten lassen. Dabei entsteht oft Ähnliches. In der Biologie spricht man von Konvergenz, wenn über große Zeiträume oder geographisch weit voneinander entfernt und ohne jede Möglichkeit eines Kontaktes Leben entsteht, das sich in vielen Dingen sehr ähnelt, ja vielleicht sogar bis auf wenige Details praktisch identische Formen hervorbringt. Ein Beispiel hierfür sind die Beuteltiere Australiens und die Säugetiere. Viele sind praktisch identisch, es gibt den Beutelwolf, die Beutelratte, den Beutelbär u.s.w., genauso wie eben den Säuger-Wolf, die Säuger-Ratte und den Säuger-Bär. Nur im Fortpflanzungsverhalten unterscheiden sie sich. Aber alles hat seine Zeit, kommt auf die Bühne des Lebens und geht von ihr auch irgendwann wieder.

Und nun schauen wir noch auf uns Menschen, auf jedes menschliche Leben: Wir werden gezeugt, wachsen heran im Mutterleib, werden geboren, wachsen heran und fangen so ab 25 – 30 Jahren an auch äußerlich zu altern, werden alt und sterben irgendwann – zwangsläufig.

In allen beschriebenen Fällen, Bereichen und Situationen fällt auf: Es handelt sich um zyklische, also kreisförmige Vorgänge. Alles Materielle unterliegt einer solchen Zyklik. Ein indianisches Sprichwort besagt: Alles kommt in Kreisen. Und genau das finden wir vor in unserer materiellen Welt – und genau da finden die meisten heute auch ihren Horizont des Denkens leider erreicht...

Tatsächlich aber gibt es auch die Kehrseite der Medaille, das polarsymmetrische Gegenstück, das Spiegelbild von allem: Schauen wir hierfür am besten auf die Evolution des Lebens und auf uns Menschen, also auf jedes einzelne Leben.

Während die Evolution der Körper hier und da Purzelbäume schlägt, von zyklischem Charakter ist, immer kommt und irgendwann wieder verschwindet, gibt es eine zentrale Konstante, die vom kleinsten Lebewesen dieser Erde bis hin zu uns Menschen sich schnurstracks aufwärts gerichtet entwickelt: Das Zentral-Nervensystem (ZNS). Und wie wir alle heute wissen, ist es das „Gerätesystem“ unseres Körpers – und aller Körper – das Informationen in immer „höherer“, d.h. differenzierter und komplexerer Weise aufbaut und vermittelt. Betrachtet man nun die Evolution aus dieser spiegelbildlichen Sicht zur Entwicklung des Körperlichen, dann ließe sie sich auch etwas anders darstellen: Der jeweilige Entwicklungsstand des ZNS entscheidet darüber, wie hoch ein Wesen entwickelt ist. Zu einer bestimmten Zeit reicht es eben nur für niedere Wesen, später für Schalentiere und Fische, später dann vielleicht für Reptilien, Saurier, Vögel und Säugetiere – bis schließlich hin zu den Primaten und dann zum Menschen.

Noch vor wenigen Jahrzehnten war man davon überzeugt, dass praktisch alle Tiere „dumm“ seien. Intelligenz sei ein Privileg des Menschen, vielleicht auch des Menschenaffen. Auch das ist ein wesentlicher Grund, warum Darwins bahnbrechende Erkenntnis von der Evolution als Grundlage alles Entwicklung von Leben auf diesem Planeten anfangs so viel Kritik, Unbehagen und Ablehnung erfahren hatte: Der „intelligente“ Mensch stammte jetzt also direkt vom Affen ab. Nur, diese Sichtweise ist falsch. Der Affe ist das Ergebnis des eigentlichen „Kerns“ der Evolution des Lebens zu einer früheren Zeit. Das ZNS des Menschen hatte halt eine Menge Zeit mehr zur Verfügung, und es entstand ein diesem Entwicklungsrad angepasstes, völlig anderes Wesen, eben der Mensch. Dass „Geist“ als das unmittelbare Ergebnis der Entwicklung geeigneter „Gerätschaften“ – eben des ZNS und seiner konsequent kontinuierlichen Fortentwicklung – schon zu Anfang der Evolution zugegen war, ist erst jetzt, in unserer Zeit, wirklich klar geworden: Beispielsweise findet man sie schon bei Einsiedlerkrebsen vor, wenn sie sich etwa gegenseitig passende Gehäuse zuschanzen. Auch Symbiose, Parasitismus und natürlich der sog. „Instinkt“ sind nichts anderes als „geistige Leistungen“. Natürlich erfolgen sie zu früherer Zeit noch nicht bewusst. Das kommt im Laufe der Evolution erst auf, als sie das Pferd wechselte, weg von kollektiver Entwicklung hin zur individuellen.

Graureiher sind beispielsweise in der Lage, völlig individuell einen Vorgang zu betrachten und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. So lernen Graureiher etwa, mit Brotstückchen zu angeln, wenn sie das etwa beim Menschen sehen. Und das kann dann auch nur der Graureiher, der es geschaut hat. Damit ist er seiner Art ein Stück voraus. Hier ist zweifellos schon eine höhere Form von Intelligenz im Spiel. Absolute Intelligenzbestien sind zum Beispiel Raben: Sie können, ohne es vorher beigebracht bekommen zu haben, spontan und ohne großes Üben nützliche Werkzeuge herstelle, um an Nahrung zu kommen. Es sind auch Raben bekannt, die sich des modernen Autoverkehrs bedienen, um Nüsse knacken zu lassen und diese dann vorschriftsmäßig bei grüner Ampel und unter Nutzung für Zebrastreifen aufsammeln gehen. Das klingt abenteuerlich, ist aber Realität. Und dies sind nur ein paar Beispiele von unzähligen.

Bei Primaten, insbesondere bei Schimpansen, die sich genetisch von uns Menschen nur um etwa 1% überhaupt unterscheiden, finden wir manchmal intellektuelle Leistungen, die selbst uns Menschen in den Schatten stellen können. Und Primaten sind sicher auch zu tieferen Gefühlen fähig, etwas, das wir auch bei anderen Säugetieren schon vorfinden. Dass Schimpansen ein bereits fortgeschrittenes Selbstbewusstsein haben und auch sich selbst erkennen, also eine Selbstbewusstheit besitzen, ist längst eine gesicherte Erkenntnis. Bei anderen Tieren wird es zumindest vermutet. Allein der Mensch aber ist kraft seines neu erreichten ZNS-Entwicklungsgrades jedoch nun auch zu etwas fähig, das allen Tieren ganz offensichtlich fehlt: Er kann abstrakt denken. Er hat Vorstellungen vom Sein und Werden, von Liebe und Gerechtigkeit, von Freude, Glück oder Trauer. Er empfindet nicht nur Liebe, er kann darüber auch abstrakt nachdenken und sich mit anderen austauschen. Und der Mensch ist das erste und bislang einzige Wesen auf der Erde, das weiß, dass er unausweichlich sterben wird. Das alles ist etwas völlig Neues, ein Quantensprung der ZNS-Entwicklung und nur dem Menschen eigen.

Und nun wissen wir, dass der Mensch seit Anbeginn seiner Existenz auch drei grundsätzliche Vorstellungen von seiner Existenz hat: Kurzgefasst, es gibt einen Gott oder eine göttliche Ebene, einen Geist oder eine geistige Ebene und der Tod ist nicht sein Ende. Dann sollte man vielleicht auch davon ausgehen dürfen, dass hier der eigentliche Schritt zu Menschwerdung lag:

Die plötzlich vorhandene Fähigkeit, abstrakt zu denken, verbunden mit einem „intuitiven Wissen“ von seiner Existenz. Der aufrechte Gang, die besondere menschliche Hand und die Entwicklung von Sprache sind erst die Folge, nicht aber die Basis der Menschwerdung, wie heute zumeist angenommen.

Der Mensch hat bis zum heutigen Tag den höchsten Entwicklungsstand des ZNS erreicht. Und dieses nun höchstkomplexe, Informationen gezielt verarbeitende „Gerätesystem“ ist darüber hinaus konsequent abwärtskompatibel. Das heißt, alle Entwicklungsstadien der Evolution sind in ihm vollständig enthalten. Diese Entwicklung ist aber nun im Gegensatz zur Evolution alles Körperlichen linear und stets aufwärts gerichtet. Kein Kommen und Vergehen, immer ein weiter nach oben Streben – nur (zunächst) über immer neue, andere Individuen.

Genau dasselbe finden wir, wenn wir auf jeden einzelnen Menschen schauen: Wenn auch unsere Körper, zumindest nach außen hin, bis spätestens ins dritte Lebensjahrzehnt hinein wachsen, um dann ihren kreisförmigen Weg zu gehen, die ihr Altern bis zum Tod umfasst, entwickelt sich alles Geistige in uns, unsere Erfahrung, unsere Gefühlswelt, ja alles Immaterielle, an dem man jemanden erkennt, also unsere Persönlichkeit, bis ins hohe Alter linear aufwärts weiter.

Das Dilemma der Physik, wachsende Unordnung alles Materiellen gegenüber wachsender Ordnung alles Informationellen, wird hier überall offenkundig.

Wenn die Welt uns – und das, egal wohin wir schauen – stets diese Doppelnatur, diese polare Symmetrie von allem und jedem offenbart. Wenn zu dieser Doppelnatur gehört, dass es seit Beginn der Zeit ganz offensichtlich das Wachsen von Unordnung gibt und sich auf alles Materielle bezieht, zugleich aber auch das Wachsen von Ordnung erkennbar wird, das sich auf alles Nicht-Materielle, das Informationelle – oder einfach, das Geistige, bezieht, dann darf man doch auch die Frage stellen: Warum sollte ein bis zu seinem Tod erst zum Höhepunkt gereichter Geist eines Menschen, dessen Weg zu immer höherer Ordnung eigentlich vorgezeichnet ist und einer kosmischen Gesetzmäßigkeit entspricht – warum also sollte dieser Geist genau dann auch enden (müssen), wenn sein allem Zyklischen und so der wachsenden Unordnung unterworfene Körper nicht mehr imstande ist, diesem Geist in seiner Entwicklung weiter zu helfen?

Natürlich ist die eigentlich eindeutige Antwort, ein solches Ende sei schlichtweg unsinnig, darauf noch kein Beweis dafür, dass es tatsächlich so ist. Nicht nur das: Viele Naturwissenschaftler halten die Frage nach einem Warum sogar für unwissenschaftlich und dürfe gar nicht gestellt werden.

Für so etwas fehlen mir schlichtweg die Worte...

 

Fazit: Eine von Scheuklappen freie Analyse von der Evolution der Arten (Phylogenese) zeigt uns genau, wie auch die Betrachtung der Entwicklung eines jeden menschlichen Individuums (Ontogenese) dasselbe Bild: Es gibt eine zentrale Konstante: Sie ist das Zentral-Nervensystem (ZNS), und das entwickelt sich stets linear aufwärts fort. Das ZNS aber ist nicht der Produzent von Geist, wie ich gleich noch durch Beispiele aus der Hirnforschung und anverwandten Gebieten der Medizin zeigen werde. Vielmehr muss man das ZNS verstehen als der „qualitativ und quantitativ wachsende Gerätepark“, der es ermöglicht, mit „Geist“ zu kommunizieren und diesen dabei weiter zu entwickeln – in ständiger Interaktion mit dem Ziel immer stärker differenzierter Perfektionierung. Und für Geist können wir, wenn Sie wollen, an dieser Stelle durchaus auch das etwas weniger pathetisch klingende und philosophisch abgegriffene, moderne Wort „Information“ oder „Informationswelt“ nehmen.

Begeben wir uns auf das gebiet der Medizin, speziell auch zunächst in die Hirnforschung: Die Vorstellung vieler heutiger Hirnforscher – aber keineswegs aller – ist das, was man in der Philosophie „materialistischen Reduktionismus“ nennt: Alles wird reduziert auf die Vorstellung, Materie ist alles und auch die Grundlage von allem, und all das, was wir als immateriell bezeichnen, also zum Beispiel „Geist“, „Seele“, Gefühle“, „Bewusstsein“, Bewusstheit“ und die Vorstellung einer „Ich-Persönlichkeit“ etc., sei tatsächlich nur illusionär und in Wirklichkeit ein Produkt der materiellen Ausgangsbasis, also etwa des Gehirns. Die Milliarden und Abermilliarden Hirnzellen und in die Billionen reichende Zahl ihrer Verknüpfungen sei die Basis von allem und spiegele uns am Ende das „Immaterielle“ nur vor. Daraus folgt natürlich auch: Ist das Gehirn einmal tot, ist der Mensch, dem es gehörte genauso tot, ein für allemal und auf ewig, basta. Das Ganze hätte, wäre es tatsächlich so, auch dramatische gesellschaftliche Konsequenzen: denn würde unser Gehirn eigenmächtig entscheiden und man sich dessen erst später „bewusst“ werden, wer oder was hätte dann zum Beispiel Schuld, wenn jemand umgebracht würde? Es gibt schon Strafrechtler, die sitzen in den Schuhen, um damit eine in der Zukunft denkbare Nivellierung unseres Verständnisses von Schuld und Strafwürdigkeit loszutreten.

 

Verzeihen Sie mir auch hier meinen klaren Widerspruch: Für mich ist das hanebüchener Unsinn und zudem deshalb sträflich, weil es die verständliche Unwissenheit und fachliche Unzulänglichkeit so vieler Menschen ausnutzt, um ihnen jede – tatsächlich aber angebrachte – Hoffnung auf mehr zu nehmen...

Deshalb muss ich natürlich nun auch hier ein wenig „Substanz liefern“, um meine derbe Wortwahl zu verteidigen:

Unsere ganze Hirnforschung beruht heute im Grunde auf zwei wesentliche Verfahren: Zum einen ist es die Bildgebung. In der sog. Kernspintomographie (MRT oder MRI und fMRT oder fMRI, detailliert: MRT = Magnet-Resonanz-Tomographie, MRI = engl. Magnetic Resonance Imaging. fMRT = funktionelle MRT, bzw. fMRI = functional MRI) wird geschaut, wo im Gehirn leuchtet etwas auf, wenn ein Mensch bestimmte Verhaltensmuster an den Tag legt, an Bestimmtes denkt, oder bei Wahrnehmung bestimmter Umstände und auch gezielter Stimuli von außen sieht, hört oder fühlt. Natürlich ist das hier nur eine äußerst knappe Darstellung. Sie reicht aber für das grobe Verständnis völlig aus. Zum anderen gibt es eine Funktionsdiagnostik. Hier wird ein sog. Elektro­Enzephalogramm (EEG) angefertigt. Mit Hilfe von Elektroden werden zum Beispiel von der Kopfhaut (bei besonderen Experimenten auch invaisiv durch Elektroden im Gehirn)zumeist sehr schwache elektrische Signale registriert und als Kurven ausgewiesen. Wenn unser Gehirn etwas leistet, ist ja irgendwo dort Nervengewebe mehr oder minder aktiv, und das bedeutet, es fließt Strom.

Tatsache ist, kernspintomographische Bilder können nur zeigen, dass dort, wo es blinkt, etwas geschieht – nicht mehr und nicht weniger! Jede Deutung, dort wäre ein Zentrum für was auch immer, und dort, wo man Aktivitäten findet, würde etwas produziert, ist eine grundsätzlich unzulässige Behauptung.

Bei einem bedeutenden Kongress von Hirnforschern, der Brain-Mapping­Conference 2009 an der Universität von Santa Barbara, Kalifornier (USA), zeigten junge Wissenschaftler das Ergebnis einer besonderen MRT-Studie. Mit ihr wollten sie die Frage beantwortet bekommen. Wie verlässlich und glaubwürdig sind die Ergebnisse der Hirnforschung? Dazu erklärten sie einem Probanden nach strengen wissenschaftlichen Kriterien ihr Experiment. Dann lag dieser 5 Minuten im MRT. Alle 12 Sekunden wurde ihm ein anderes Bild eines Menschen mit verschiedenen Gefühlsregungen gezeigt, insgesamt 15 Bilder. Tatsächlich waren unterschiedliche Reaktionen im Gehirn des Probanden ganz deutlich zu erkennen...

Doch der Proband war kein Mensch, sondern ein 46 cm großer, 1,7 kg schwerer toter Lachs aus einem Supermarkt...

Natürlich ist ein solcher Versuch nicht dazu geeignet, die vielen, auch seriösen Ergebnisse anderer Untersuchungen ins Lächerliche zu ziehen und als Unsinn zu entlarven. Es gibt aber bedeutende Schwachstellen auch im MRT. Und die größte Schwachstelle ist sicher der Mensch, der Vieles bewusst oder unbewusst übersieht, manchmal leider aber auch, wie wir alle wissen, vorsätzlich falsche Ergebnisse aus zumeist persönlichen Motiven veröffentlicht und vor allem Dinge postuliert, die tatsächlich gar nichts mit einem objektiven Ergebnis zu tun haben, sondern vielmehr reine Interpretationen sind...

Bildgebende Verfahren zur Diagnostik von Hirnerkrankungen und Hirnschäden sind heute essentieller Bestandteil umfassender Untersuchungen. Genauso sind solche Verfahren aus der Hirnforschung nicht wegzudenken. Man muss auch bereit sein zu lernen, aus den Problemen der Methode und den Beobachtungen die richtigen Schlüsse zu ziehen, bzw. zu vermeiden, vorschnell falsche heraus zu posaunen. Zu derart falschen Schlüssen zählen wohl ganz sicher alle, die den „Geist“ im Gehirn suchen. Stellen Sie sich bloß vor, Sie sind Weltenbummler und streifen, natürlich mit ihrem Mobiltelefon in der Tasche, durch einen Urwald, der nur von ein paar Eingeborenen bevölkert ist. Ihr Handy klingelt (also unerwartet guter Netzempfang vorausgesetzt...), Sie gehen ran und ein Freund meldet sich von zu Hause. Sie telefonieren mit ihm eine ganze Weile und werden dabei von ein paar Eingeborenen beobachtet. Was dürfte die wohl annehmen? Natürlich dass Ihr Telefonpartner im Mobiltelefon sitzt, was sonst? Eine anderes Beispiel: Bei früheren James Bond-Filmen gab es oft einen Bösewicht, der auf einer einsamen Insel saß, und von dort versuchte, die Welt zu zerstören oder Macht an sich zu reißen. Nun stellen Sie sich vor, auf dieser Insel gäbe es wieder nur ein paar Eingeborene, die es aber irgendwann schafften, in den eigentlich gut bewachten und abgeschirmten Kommandobunker des Bösewichts einzudringen – natürlich unbemerkt. Sie gelangen schnell in einen Schaltraum, sehen dort viele Bildschirme und große Tastaturen mit vielen Knöpfen. Was werden sie tun? Sicher tippen sie auf einige Tasten und staunen nicht schlecht, wenn auf den Monitoren irgendwelche Sachen erscheinen, vielleicht ja auch das ein oder andere TV-Programm...

Ganz sicher werden sie nun wieder glauben, das, was sie sähen wäre in den Bildschirmen zu suchen, vielleicht schlägt der ein oder andere sogar deshalb einen Monitor kaputt und wundert sich dann, keine der Personen zu finden, die vorher auf ihm noch sah...

Ganz ähnlich ist es mit unserem Gehirn: Solange man ernsthaft glaubt, dass dort, wo während bildgebender Untersuchungen etwas blinkt und flackert, auch tatsächlich IST oder produziert wird, solange ist man nicht weiter als ein hier beschriebener Eingeborener...

Somit stellt sich nun die Frage, welche Beobachtungen, Phänomene oder wissenschaftliche Ergebnisse können die „nicht-materialistische“ Vorstellung stützen, „Geist“ und Gehirn seinen nicht dasselbe, bzw. „Geist“ wird nicht vom Gehirn produziert und, noch „on-top“, „Geist“ ist nicht zwingend an unser Gehirn und damit an das „hiesige Leben“ gebunden?

Zunächst muss man feststellen, dass Hirngröße nicht unbedingt etwas mit intellektueller Kapazität zu tun hat. Zahlreiche Tiere haben größere Hirne als der Mensch, sind ihm aber bezüglich Intellekt und Intelligenz unterlegen. Umgekehrt gibt es zahlreiche Tiere, die trotz minimalen Hirnvolumens auf eine vergleichsweise hohe Intelligenz kommen wie etwa einige Vogelarten.

Betrachtet man nur uns Menschen, so findet man hier und da Personen, bei denen man aufgrund einer zufällig anberaumten bildgebenden Untersuchung ihres Schädels feststellt, dass große Teile ihres Gehirns fehlen, niemals ausgebildet wurden oder durch langsame Volumenzunahme anderer Strukturen allmählich zerstört worden sind. Und dennoch sind ihre intellektuellen Fähigkeiten, ihre Emotionalität und ihre Persönlichkeit unverändert, bzw. gegenüber gesunden Menschen nicht eingeschränkt.

Des Weiteren hat man erst vor kurzem festgestellt, dass man allmählich dazu übergehen sollte, das Gehirn genauso zu entmystifizieren, wie es beim Erbgut mittlerweile der Fall ist: Alle Leitungsbahnen eines menschlichen Gehirns verlaufen wesentlich einfacher, bzw. sind viel einfacher strukturiert, als bislang immer angenommen. Tatsächlich verlaufen sie in den drei Ebenen des Raums, längs, quer und hoch (bzw. herunter), mehr nicht...

Ein weiterer Aspekt ist erst seit vielleicht zehn bis fünfzehn Jahren bekannt und hätte davor nur Stirnrunzeln bei Fachleuten hervorgerufen: Unser Gehirn besitzt eine einzigartige Plastizität. In nur wenigen Minuten kann es sich schon auf neue Erfordernisse durch anatomische Veränderung einstellen. Es bildet neue Zellen und neue Verschaltungen. Jeder Einzelne kann in jedem Lebensalter völlig neue Dinge lernen und sein Gehirn herausfordern. Und er sollte es auch tun! Natürlich wird das ein oder andere im Alter langsamer ablaufen, so wie eben im Alter der gesamte Körpermotor erlahmt und hier und da anfängt zu schwächeln. Aber grundsätzlich bleibt das Gehirn bis ins hohe Alter lernfähig. Im Grunde erreicht ein Mensch erst zum Zeitpunkt des Sterbens seinen höchsten geistigen Grad seiner Persönlichkeit.

In diesem Moment kommt immer sofort der Einwand: Und wie steht es mit dementen Menschen? Ist das kein Widerspruch zu meiner Ausführung?

Nein, ist es nicht; denn die Demenz ist – wie andere Krankheiten auch – eine Erkrankung an den materiellen Strukturen im Gehirn, die für das „Arbeiten des Geistes“ benötigt werde, also eine Funktionsstörung des für bestimmte Leistungen erforderlichen Gerätes oder Instruments. Wenn bei einem Fernseher ein Chip kaputt geht, bleibt die Sendung ja durchaus erhalten, nur kann sie möglicherweise nicht mehr empfangen werden, oder es kommt zu irgendeiner Teilstörung. Zum Beispiel fällt nur der Ton aus oder eine Farbe oder es flackert immer wieder, u.s.w.

Und wie oft haben es schon unmittelbar Beteiligte feststellen können, dass bei aller typischen „Abwesenheit“ eines dementen Angehörigen es nicht selten urplötzlich Momente gibt, wo der Betreffende wieder „Herr seiner Lage“ ist – womöglich nur kurz, aber dafür so gut, dass man schier erstaunt ist. Oft treten solche kurzen Momente des „wiederhergestellten Zugriffs auf die eigene Datenverarbeitungsmaschine Gehirn’“ kurz vor dem Tod auf.

Zwei andere Gruppen von Menschen liefern weitere gute Argumente für die Annahme, dass unser Gehirn nur ein tolles Gerät ist, mit dem unser „Geist“ wächst, über das „er“ ständig interaktiv arbeitet und das aber selbst nicht der Produzent unseres Geistes ist, bzw. sein kann:

Die erste Gruppe sind ein paar seltene Formen Siamesischer Zwillinge. Der Begriff geht auf die Brüder Chang und Eng Bunker zurück, beide wurden, am Bauch zusammengewachsen, 1811 im früheren Siam, dem heutigen Thailand geboren und sind deshalb Namen gebend für alle irgendwo zusammen- gewachsenen Zwillinge. Heute werden die meisten dieser Zwillinge chirurgisch voneinander getrennt, um ihnen ein normales Leben zu ermöglichen. Bei den Bunker-Zwillingen war das damals noch nicht möglich. So lebten sie gemeinsam und starben gemeinsam am selben Tag im Jahr 1874, nicht ohne beide während ihres Lebens verheiratet gewesen zu sein und über 20 Kinder in die Welt gesetzt zu haben...

Es gibt unter den Siamesischen Zwillingen ganz selten welche, die am Kopf miteinander verwachsen sind und sich sogar Teile ihres Gehirns miteinander teilen. Ein Beispiel hierfür sind die weiblichen Zwillinge Lori und Reba Shapell (*1961) aus den USA. Sie teilen sich, in Gegenrichtung des anderen schauend, über 30% ihres Gehirns, und ganz besonders auch solche Teile, die man in der Hirnforschung so gerne als die Ursprungszentren des Denkens und der eigenen Persönlichkeit bezeichnet: Das Stirnhirn mit dem sog. praefrontalen Cortex.

Tatsächlich sind diese beiden Damen durch und durch eigenständige Menschen mit völlig unterschiedlichem Denken, Emotionen und verschiedenen Wünschen. Sie sind nicht mehr und weniger ihr Gegenüber wie Sie, verehrte(r) Leser(in) und ich. Dieses Beispiel mag verdeutlichen wie wenig das Gehirn tatsächlich Produzent des Ichs, unseres Denkens und Fühlens ist...

Die zweite Gruppe, die ich kurz erwähnen möchte, finden wir im Bereich der Autisten. Solche Menschen scheuen zumeist die engere Kommunikation mit anderen. Sie leben zurückgezogen und haben Probleme mit ihrer sozialen und gesellschaftlichen Integration. Viele von ihnen sind dabei hochintelligent und können sich später beruflich normal oder gar in besonderen Positionen etablieren. Unter ihnen gibt es aber auch welche, die einen sehr niedrigen Intelligenzgrad aufweisen, d.h. debil sind. Und unter diesen wiederum gibt es welche, die ganz erstaunliche Fähigkeiten besitzen, die sie niemals haben lernen können, sog. Inselbegabungen. Men spricht auch von sog. Savants (von französisch "savoir = wissen).

So gibt es einen autistischen und debilen Savant, mit dem man per Helikopter nur eine kurze Zeit eine Großstadt wie Rom oder Frankfurt überfliegt, und der anschließend in der Lage ist, diese Stadt in unglaublich großer Genauigkeit über mehrere Tage zeichnerisch auf einer Großleinwand wiederzugeben. Ein anderer, zudem noch blinder und debiler Savant kann beispielsweise schwierigste Klavierstücke nach einmaligem Hören fehlerfrei wiedergeben und Minuten später auch in anderen Tonarten spielen. Oder von dem amerikanischen Neurologen Oliver Sacks stammt die Beobachtung eines jungen, debilen männlichen Zwillingspärchens, das – ohne je auch nur die geringste Kenntnis mathematischer Grundlagen erlernt haben zu können – in der Lage ist, vielstellige, sog. Primzahlzwillinge auf Zuruf zu benennen, eine Leistung, für die man heute sehr schnelle und höchstmoderne Computer benötigt.

Sie alle müssen – und das, so glaube ich, ist die einzig vernünftige Erklärung – eine Wahrnehmungsfähigkeit besitzen, die „anders gepolt“ ist, als die eines jeden „normalen“ Menschen. Sie „sehen“, „hören“ oder „fühlen“ Dinge, die wir nicht sehen, hören oder fühlen können, die aber offensichtlich dennoch genauso real existieren, obwohl wir sie nicht mit unseren Sinnen wahrnehmen können und deshalb naturgemäß an ihrer realen Existenz zweifeln...

Diese Menschen erkennen, ohne dass ihnen das mangels entsprechender Intelligenz in dieser abstrakten Form bewusst wird, dass in unserer Welt noch viele Dinge einfach real sind, sich aber unseren Wahrnehmungen entziehen, so wie wir Menschen ohne technisches Gerät auch kein TV-Programm empfangen können, es aber in jeder denkbaren Vielfalt um uns herum ist, egal wo wir uns aufhalten, geschweige denn überhaupt mögen...

Vielleicht ist eben ein wichtiges Kennzeichen des hier debilen Autisten, dass sein Gehirn zwar nicht in der Lage ist, die für ein erfolgreiches Leben von der Evolution geprägte Wahrnehmungsfähigkeit des deshalb „normalen“ Gehirns zu besitzen, er dafür aber eine Art „phasenverschobene“ Wahrnehmung besitzt, so dass er Dinge wahrnimmt, die wir „Normalos“ nicht wahrnehmen können.

Eine meiner favorisierten Philosophen, der Franzose Pierre Teilhard de Chardin (1881-1955) sagte einmal: „Wir sind nicht menschliche Wesen, die geistige Erfahrungen machen, sondern geistige Wesen, die menschliche Erfahrungen machen.“ Und ich finde, er hat damit vollkommen recht.

In einigen meiner Bücher habe ich gezeigt, dass die eigentliche Grundlage, sozusagen das eigentliche „Substrat“ unseres ganzen Universums wohl reine „Information“ sein dürfte. Unsere Welt ist also tatsächlich wohl ein unendlicher Informationsraum und das, was wir als Raum bezeichnen, nur etwas, das darin entstand und wohl weiterhin ständig neu entsteht durch Information. Wenn dem so ist, dann steckt auch in jedem noch so kleinen Stückchen von dem, was wir – aus quantenphysikalischer Sicht schon ziemlich hochgestochen – als „Materie“ bezeichnen, eine kleinste Informationsmenge. Und jedes komplexere Teil solcher „Materie“ ist demnach auch zugleich ein komplexeres Stück Information. Wir ich eingangs bereits geschrieben habe, zeichnet sich die Physik dessen, was wir Materie nennen, dadurch aus, dass sie zu immer höherer Unordnung strebt, was man Entropie nennt. Das heißt, einfach gesprochen, dass alles kommt, wächst und wieder vergeht, um neuen Dingen Platz zu machen. Ein vermutlich ewiger Kreislauf.

Demgegenüber aber gibt es – sehr zum Erstaunen der Physiker – eine polar­symmetrische Seite dazu, die zu immer höherer Ordnung strebt: Information. Und während jede Materie zwangsläufig auf ein Ende zustrebt, damit wieder Neues daraus geschaffen werden kann, muss für den Informationsgehalt etwas Gegenteiliges – geradezu zwingend – gelten: Er wächst linear und konsequent ohne Ende weiter. Materie wird somit Mittel zum Zweck: Sie ist eine notwendige Kreation in dieser Welt, um das Eigentliche auf den weg zu bringen und im Laufe einer unendlichen Geschichte zu vervollkommnen.

„Sind wir nicht alle ein Gott im Werden?“ Auch diese bemerkenswerte Frage stammt von Teilhard de Chardin. Und auch hier möchte ich zustimmen...

Ja, wir alle zusammen, das ganze Universum ist wohl ein Gott im werden, und alles, wir alle inbegriffen stammen von Gott ab: Er-und-sie ist die Grundlage der ganzen Welt und zu ihm-und-ihr führt alles wieder zusammen:

Perfektion in maximaler Vielfalt. Alpha und Omega.

Wir Menschen sind aus dieser Sicht nur unglaublich hochkomplexe Wesen mit einem dementsprechend hochkomplexen Informationsgehalt. Wir können deshalb mit Fug und Recht von unserem „Geist“ sprechen, auch von einem „Geistkörper“, der in allem so ist, wie seine „materielle Hülle“, die, physikalisch betrachtet, sogar eigentlich nur pure Illusion ist; denn tatsächlich ist selbst kleinste Materie, also ein einzelnes Atom, im Grunde nichts anderes als geringste Spuren „zusammengeballter“, nicht wirklich lokalisierbarer Energie, die über vergleichsweise riesige Distanzen „aneinander haften“ durch nicht in derselben weise „zusammengeballter“ Energie...

Tatsächlich sind wir jedoch alle, materiell betrachtet, nur ein Hauch von Nichts...

Dieses Nichts aber, energetisch betrachtet, ist phantastisch: Es ist lebendige Information, die in höchstem Maße kreativ sein kann und dazu sich selbst benutzt und verändert, um sich selbst – eben in maximaler Vielfalt – zu höchstmöglicher Perfektion zu entwickeln – oder, zu differenzieren.

Und damit können wir schnell noch eine weitere kleine Brücke schlagen: Der kleine Menschverstand sieht nur sich als materielle Struktur. Einige wenige sehen sogar darüber hinaus und erkennen hinter allem das Geistige, und damit auch das gegenüber der materiellen Struktur Unsterbliche.

Was aber fehlt ist die Erkenntnis, dass alles Geistige in dieser Welt und auf Basis der hier in Kürze dargelegten Grundlagen sich auch dann weiter entwickeln kann, wenn ihm nicht mehr derselbe materielle Körper oder wenigstens dieselbe materielle Struktur anhaftet oder er auf sie zurückgreifen kann. So wie sich Information ja erst „ihre“ Materie schafft, die tatsächlich kaum eine – oder besser – gar keine ist, sondern nur von Strukturen derselben Art so wahrgenommen wird, so kann sie sich auch jede beliebige andere Form von „Materie“ schaffen, die wiederum nur von Strukturen derselben Art und desselben Aufbaus wahrgenommen werden kann. So wie wir heute wissen, dass Licht, so wie wir es wahrnehmen, tatsächlich nur einen kleinen Bruchteil eines riesigen Frequenzspektrum ausmacht, so müssen wir uns vorstellen, dass die „Existenzebene“, die wir als Menschen hier auf Erden „einnehmen“, nur einen kleinen Bruchteil der Existenzebenen ausmacht, die alle ineinander, mit- und nebeneinander existieren können, ohne dass sie sich gegenseitig „sinnlich“ wahrnehmen, weil alle ihre „Sinne“ nur in derselben Ebene funktionieren (können).

Aber keine Information geht zugrunde. Nur im Unterschied zur „Materie“, die ja letztlich als Mittel zum Zweck dient, um komplexe Information zu entwickeln und in maximaler Vielfalt zu perfektionieren, kann sie quasi von Existenzebene zu Existenzebene „aufsteigen“ und sich einer immer neuen, „höheren“ Umgebung bedienen, um ihrem Ziel somit allmählich immer näher zu kommen. „In Gottes Haus gibt es viele Wohnungen“, so steht es in der Bibel (Johannes, 14,2-3). Nur mit der optimalen Interpretation hapert es heute leider allzu oft... Und noch etwas: „Wiedergeburten“ in einem Körper derselben Existenzebene sind aus dieser Sicht genauso wenig nötig. Alle sog. „Beweise“ für sie lassen sich auch ganz anders problemlos erklären; denn jede einmal entstandene und entwickelte Information, damit auch jedes Informationswesen, wie wir Menschen es ja auch eigentlich sind, ist in diesem Universum abgreifbar.

Im Internet müssen wir heute zunehmend mit Problemen kämpfen, die genau dadurch in – wenngleich natürlich vergleichbar dilettantischer Weise – immer mehr entstehen.

Aber es muss ja kein „feindliches“ Abgreifen von Information dahinter stecken: Vielmehr ist auch eine durchgreifende Kommunikation möglich – nicht unbedingt bewusst, aber auf einer unbewussten oder unterbewussten Ebene.

Und was ist nun der Tod? Er ist ein Tor zu einer (völlig!) anderen Welt, nicht mehr und nicht weniger. Unsere Geburt brachte uns auch in eine neue Welt, und wir haben das „geistige Potential“, das wir besaßen, als uns unsere Mütter zur Welt brachten, mitgenommen und auf ihm in unserem Leben bis zum heutigen Tag konsequent aufgebaut. Und wenn wir sterben, nehmen wir das bis dahin weiter differenzierte, weiter entwickelte Potential erneut mit, in eine uns bis zu unserem Tod genauso wenig wahrnehmbare neue Welt, wie die jetzige Welt für den Embryo wahrnehmbar war. So leben wir von Leben zu Leben und entwickeln uns weiter. Dass es weitergeht, ist aus dieser Sicht trivial. Wie es genau weitergeht, bleibt ein Geheimnis und soll es wohl auch...

Während ich an diesem Tagungsband und auch meinem eigenen Beitrag arbeitete, starb am Dreikönigstag, den 6. Januar 2014, meine geliebte Mutter plötzlich und unerwartet bei bis dahin guter Gesundheit im Alter von fast 82 Jahren. Der Tod eines nahen Angehörigen ist nicht nur sehr traurig, sondern auch für jemanden wie mich, der von mehr als nur diesem Leben „hier auf Erden“ überzeugt ist, eine echte Prüfung. Am Tag der Beerdigung fand eine sehr schöne, harmonische und friedvolle Trauerfeier statt, auf der ich eine Ansprache hielt, die im Grunde das hier gesagte zusammenfasst. Mit Auszügen aus dieser Ansprache möchte ich meinen Beitrag an dieser Stelle abschließen:

Nun stehen wir hier in tiefer Traurigkeit und sollen – ja viele würden sagen, und müssen – endgültig Abschied nehmen. Doch ist es wirklich ein Abschied für immer – so wie es uns der Zeitgeist fast täglich einredet?

Meinung machende Medien und auch zahlreiche Wissenschaftler nähren diese Ansicht stetig in scheinbar großer Einigkeit.

Aber sind wir Menschen nicht doch weit mehr als bloß komplexe Klumpen Materie, die auf irgendeine geheimnisvolle, naturwissenschaftlich irgendwie gedeutete Art und Weise funktionieren, aber auch leben, dazu noch denken und sich ihrer selbst bewusst sind?

Ein wundervolles Gemälde wird nicht etwa durch Mengen- und Mischungsverhältnisse seiner Farben so toll und ein fantastisches Musikstück nicht durch die physikalische Beschreibung seiner einzelnen Töne.

Wundervoll wird alles immer erst durch die Wirkung, die das Kunstwerk als Ganzes auf uns hat und welche Gefühle es in uns weckt. Die Gesamtkomposition ist dazu völlig anders und immer mehr als die Summe ihrer einzelnen Teile. Schon daran können wir leicht erkennen, dass unsere Persönlichkeit mit all dem Wissen, allen Erfahrungen und allen tiefen Gefühlen tatsächlich weit mehr sein muss, als es die noch so komplexe Materie, der noch so tolle Körper ist, wie uns leider ständig weisgemacht wird.

In allem und jedem von uns wohnt ein „eigentlicher Kern“. Und dieser Kern ist selbst nicht aus Materie, sondern vielmehr – ganz allgemein – „Information“. Information, das kennen wir, gibt etwas kund. Sie strahlt eine Wirkung aus. Im Johannesevangelium heißt es: „Am Anfang war das Wort“. Die griechische Vorlage für „Wort“ ist „Logos“. Tatsächlich aber heißt „logos“ noch viel mehr als nur Wort, z.B. auch „Sinn“, „geistiges Vermögen“ und „Vernunft“ oder, heute eben sehr modern, einfach auch nur „Information“.

Jeder Mensch ist natürlich ein höchst komplexer Körper, aber er ist noch mehr: Genauso ist er auch ein höchst komplexes, diesem Körper innewohnendes und in sich untereinander genial kommunizierendes „Informationsnetzwerk“, praktisch also eine Art „Geistkörper“, oder vereinfacht nur „Geist“ oder religiös formuliert: eine „Seele“.

Nicht hat er einen Geist oder Seele, nein er ist auch ein Geist oder eine Seele! Und das so wundersam wunderbare, kommunikative Zusammenspiel dieses „Geistes“ nennen wir „Leben“!

Die Evolution des ganzen Universums und genauso die des „Lebens“ auf unserer Erde ist somit tatsächlich wohl vor allem eine Evolution des Geistes.

Und auch in jedem Einzelnen von uns entwickelt sich das Geistige stets konsequent aufwärts, vom Beginn unseres Lebens bis zum Tod! Nun aber frage ich einfach: Wieso eigentlich sollte dann eine solche Entwicklung durch den Tod so abrupt und dazu endgültig gestoppt werden?

Alles in unserer Welt hat zwei Seiten. Und diese beiden Seiten sind stets spiegelbildlich und entgegengesetzt. Die Physik lehrt uns heute, dass alles Materielle, also jeder Körper dieser Welt, stetig zu immer größerer Unordnung strebt und sich somit zwangsläufig einmal in seine Einzelteile auflösen muss, damit so wieder Neues entstehen kann. Erde zu Erde und Staub zu Staub!

Aber dieselbe Physik zeigt uns heute auch, dass es hierzu ein Spiegelbild gibt, das genauso konsequent zu immer größerer und höherer Ordnung strebt: Es ist die „Information von allem und in allem“. Einmal irgendwann und irgendwo begonnen, setzt sich diese Entwicklung auf ewig fort: Unaufhaltsam und unzerstörbar!

Unser materieller Körper, ja alles Materielle dieser Welt, ist somit ganz offensichtlich nur ein Vehikel für das Eigentliche tief in uns und allem! Materie muss entstehen und wieder vergehen, dabei sich ständig umwandeln, um so immer wieder aufs Neue Geistiges als den eigentlichen Kern darin – und so auch in uns – zu schaffen und ihm eine Chance auf dann ewige Entwicklung und Entfaltung zu geben: Perfektion des Geistes in maximaler Vielfalt.

Der Evangelist Johannes schreibt gleich zu Beginn: „Am Anfang war das Wort und das Wort stand bei Gott und Gott war das Wort!“ Und etwas später heißt es: „In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht des Menschen. Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht ergriffen.“ Wählen wir nun für „logos“ anstatt „Wort“ den modernen Begriff „Information“ oder bleiben wir philosophisch und sprechen von „Geist“ oder religiös von „Seele“:

Geist und Seele sind der eigentliche Kern unserer menschlichen Persönlichkeit und stammt von Gott und besitzt Leben, eine geheimnisvolle Form von Energie oder auch Kraft. Johannes nennt sie so zutreffend „das Licht des Menschen“. Und dieser lebendige Geist entwickelt sich unaufhaltsam und unzerstörbar immer weiter fort: DENN „Das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht ergriffen.“.

Die Finsternis aber ist der Tod! Dieser Tod kann den eigentlichen Kern von allem und jedem, dieses „Licht des Menschen“, unser aller „Leben“, und damit auch unsere ganze Persönlichkeit, die tatsächlich etwas Geistiges ist, nicht und niemals zerstören!

Auch genau das gehört zur zentralen christlichen Botschaft von der „Auferstehung“!

Viele können und manche wollen sich das nicht vorstellen. Deshalb möchte ich an dieser Stelle eine treffliche Metapher vorlesen, den wunderschönen „Dialog der Zwillinge im Mutterleib“ des niederländischen Philosophen und Theologen Henri Nouwen (1932-1996):

Es geschah, dass in einem Schoß Zwillingsbrüder empfangen wurden. Die Wochen vergingen und die Knaben wuchsen heran. In dem Maß, in dem ihr Bewusstsein wuchs, stieg die Freude.

"Sag, ist es nicht großartig, dass wir empfangen wurden? Ist es nicht wunderbar, dass wir leben?" Die Zwillinge begannen ihre Welt zu entdecken. Als sie die Schnur fanden, die sie mit ihrer Mutter verband und die ihnen die Nahrung gab, da sangen sie vor Freude: "Wie groß ist die Liebe unserer Mutter, dass sie ihr eigenes Leben mit uns teilt!"

Als aber die Wochen vergingen und schließlich zu Monaten wurden, merkten sie plötzlich, wie sehr sie sich verändert hatten.

"Was soll das heißen?" fragte der eine. "Das heißt", antwortete der andere, "dass unser Aufenthalt in dieser Welt bald seinem Ende zugeht."

"Ich will doch gar nicht gehen", entgegnete der andere, "aber vielleicht kommt noch irgendetwas nach der Geburt!"

"Wie könnte das sein?" fragte zweifelnd der erste, "wir werden unsere Lebensschnur verlieren, und wie sollten wir ohne sie leben können? Und außerdem haben auch schon andere vor uns diesen Schoß hier verlassen und keiner von denen ist zurückgekehrt und hat uns gesagt, dass es noch irgendeine Hoffnung gibt! Nein, die Geburt ist das Ende!"

So fiel der eine von ihnen in tiefen Kummer und sagte: "Wenn unser Leben mit der Geburt endgültig endet, welchen Sinn hat es denn dann gehabt? Gar keinen! Womöglich gibt es gar keine Mutter hinter alledem".

"Aber sie muss doch existieren", prophezeite der andere, "wie sollten wir sonst hierher gekommen sein. Und wie konnten wir am Leben bleiben?" "Hast du je unsere Mutter gesehen?" fragte der eine. "Womöglich lebt sie nur in unserer Vorstellung. Wir haben sie uns erdacht, weil wir uns dadurch unser Leben besser erklären können".

Und so waren die letzten Tage im Schoß der Mutter gefüllt mit vielen Fragen und großer Angst.

Schließlich kam der Moment der Geburt. Als die Zwillinge ihre Welt verlassen hatten, öffneten sich ihre Augen. Sie schrien!

Doch was sie sahen, übertraf ihre kühnsten Träume.

Liebe Trauergäste:

Wir alle – ohne Ausnahme – leben auch über den Tod hinaus weiter, und unser Tod ist somit tatsächlich nur das Tor zu einer höheren Wirklichkeit der absoluten Wahrheit, in der wir alle bei Gott auf neue Aufgaben warten.

 

Liebe Mutter,

Wir sehen materielle Körper und beschreiben dahinter eine Kraft, die wir Energie nennen. Aber das ist nur die kleine Spitze des riesigen Eisbergs! Unseren Geist, unser Bewusstsein und unsere Seele können wir schon nicht mehr sehen, aber erkennen, wenn wir es wollen. Die Kraft dahinter ist das Leben.

Dein Körper ist nun am Ende. Das macht uns alle unsagbar traurig. Aber wir wissen auch: Das Leben und damit Du, Deine ganze Persönlichkeit, sind tatsächlich unzerstörbar. Du bleibst erhalten und lebst weiter; denn hinter allem steht Gott, und seine Kraft ist die Liebe, weshalb wir, sofern wir in Liebe leben, auch nach Gottes Bild - oder dem eigentlichen Wortlaut der Bibel entsprechender - nach seinem Wesen erschaffen sind...

Dereinst werden wir uns auf derselben Ebene wieder erkennen, die Du heute schon erklommen hast und von der Du uns weiter wahrnehmen kannst und wirst, wann immer Du es willst und wir in Liebe an Dich denken.

Und bei aller Traurigkeit freue ich mich für Dich, dass Du jetzt wieder mit unserem geliebten Vater und Opa Werner van Laack und so vielen anderen vereint bist. Grüße ihn, grüße sie bitte ganz herzlich von uns.

Liebe Mutter, liebe Oma, ich – wir lieben Dich! Dein Sohn Walter

 

 

Literatur

Heilige Schrift (Die Bibel): Die Heilige Schrift des Alten und Neuen Bundes, Herder (1965) Heilige Schrift: die vierundzwanzig Bücher der Heiligen Schrift, übersetzt von L. Zunz, Goldschmidt (1995)

Heilige Schrift (Die Bibel): Elberfelder Bibel, revidierte Fassung, Brockhaus (1996)

Nouwen, H., „Dialog der Zwillinge im Mutterleib“, in: „Die Gabe der Vollendung. Mit dem Sterben leben“, Herder (1994)

Sacks, O., „Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte“, Rowohlt (1990) Sheldrake, R., „Das Gedächtnis der Natur --- Das Geheimnis der Entstehung der Formen in der Natur“, Scherz (1992)

Teilhard de Chardin, P., „Die Entstehung des Menschen", C.H. Beck (1981)

Teilhard de Chardin, P., „Der Mensch im Kosmos“, C.H. Beck (1981)